the same is not the same
Sheet Music

Item Number: 6259276
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Instruments
Genres
Snare drum

SKU: BR.BG-1332

Composed by Nicolaus A. Huber. Edition Gerig.


World premiere: Witten (Wittener Tage fur neue Kammermusik), April 22, 1978

20th Century (after 1950). Breitkopf and Haertel #BG-1332. Published by Breitkopf and Haertel (BR.BG-1332).

ISBN 979-0-004-14031-4. 9 x 12 in inches.

Innerhalb der Reihe meiner Rhythmusstucke (Darabukka fur Klavier oder Morgenlied fur grosses Orchester) bildet die Komposition fur kleine Trommel ein Gegenstuck. Das Spannungsmoment: Tonhoheninstrumente werden wie Rhythmusinstrumente behandelt, fallt weg. An die Stelle dieses inneren Kontrastes tritt die Spannung des verschiedenen Gebrauchs der Trommel zu relativ vielen gleichbleibenden Behandlungselementen. Obwohl erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelt, ist die kleine Trommel innerhalb einer alten und vielschichtigen Trommelkultur zu sehen. Verschiedene Seiten des Reichtums dieser Kultur, sowohl gesellschaftlichen Gebrauch als auch Vielfalt von Spieltechnik und Ausdruck betreffend, sind kompositionstechnische Grundlage. Dies jedoch nicht in bloss zitierender Art und Weise - das ware ungeschichtlich -, sondern im Gegenteil: Das Fortschrittliche, soweit ich es in unseren gesellschaftlichen Verhaltnissen sehe, ist voll und ganz auffindbar, denn ,,dasselbe ist nicht dasselbe.
(Nicolaus A. Huber, 1978)

Nach der Urauffuhrung kam zu mir ein Horer und fragte mich, ob ich Heines ,,Das Buch Le Grand kenne. Ich kannte es nicht, war aber bei der nachtraglichen Lekture sehr uberrascht uber den Heine-Text, dessen Beziehung zu meinem Stuck und begeistert von der Art, wie dieser Konzertbesucher meine Komposition zu horen verstand.

Hier ein Auszug aus H. Heine ,,Das Buch Le Grand (um 1828):
Man muss den Geist der Sprache kennen, und diesen lernt man am besten durch Trommeln. Parbleu! wie viel verdanke ich nicht dem franzosischen Tambour, der so lange bei uns in Quartier lag, und wie ein Teufel aussah, und doch von Herzen so engelgut war, und so ganz vorzuglich trommelte.
Es war eine kleine, bewegliche Figur mit einem furchterlichen, schwarzen Schnurrbarte, worunter sich die roten Lippen trotzig hervorbaumten, wahrend die feurigen Augen hin und her schossen.
Ich kleiner Junge hing an ihm wie eine Klette, und half ihm seine Knopfe spiegelblank putzen und seine Weste mit Kreide weissen - denn Monsieur Le Grand wollte gerne gefallen - und ich folgte ihm auch auf die Wache, nach dem Appell, nach der Parade - da war nichts als Waffenglanz und Lustigkeit - les jours de fete sont passes! Monsieur Le Grand wusste nur wenig gebrochenes Deutsch, nur die Hauptausdrucke - Brot, Kuss, Ehre - doch konnte er sich auf der Trommel sehr gut verstandlich machen, z. B. wenn ich nicht wusste, was das Wort ,,liberte bedeute, so trommelte er den Marseiller Marsch - und ich verstand ihn. Wusste ich nicht die Bedeutung des Wortes ,,egalite, so trommelte er den Marsch ,,Ca ira, ca ira --- les aristocrates a la lanterne! - und ich verstand ihn. Wusste ich nicht, was ,,betise sei, so trommelte er den Dessauer Marsch, den wir Deutschen, wie auch Goethe berichtet, in der Champagne getrommelt - und ich verstand ihn. Er wollte mir mal das Wort ,,l'Allemagne erklaren, und er trommelte jene allzu einfache Urmelodie, die man oft an Markttagen bei tanzenden Hunden hort, namlich Dum - Dum - Dum - ich argerte mich, aber ich verstand ihn doch.
Auf ahnliche Weise lehrte er mich auch die neuere Geschichte. Ich verstand zwar nicht die Worte, die er sprach, aber da er wahrend des Sprechens bestandig trommelte, so wusste ich doch, was er sagen wollte. Im Grunde ist das die beste Lehrmethode. Die Geschichte von der Besturmung der Bastille, der Tuilerien usw. begreift man erst recht, wenn man weiss, wie bei solchen Gelegenheiten getrommelt wurde. In unseren Schulkompendien liest man bloss: ,,Ihre Exz. die Baronen und Grafen und hochdero Gemahlinnen wurden gekopft - Ihre Altessen die Herzoge und Prinzen und hochstdero Gemahlinnen wurden gekopft - Ihre Majestat der Konig und allerhochstdero Gemahlin wurden gekopft - aber wenn man den roten Guillotinenmarsch trommeln hort, so begreift man dieses erst recht, und man erfahrt das Warum und das Wie. Madame, das ist ein gar wunderlicher Marsch! Er durchschauerte mir Mark und Bein, als ich ihn zuerst horte, und ich war froh, dass ich ihn vergass - Man vergisst so etwas, wenn man alter wird, ein junger Mann hat jetzt so viel anderes Wissen im Kopf zu behalten - Whist, Boston, genealogische Tabellen, Bundestagsbeschlusse, Dramaturgie, Liturgie, Vorschneiden - und wirklich, trotz allem Stirnreiben konnte ich mich lange Zeit nicht mehr auf jene gewaltige Melodie besinnen. Aber denken Sie sich, Madame! Unlangst sitze ich an der Tafel mit einer ganzen Menagerie von Grafen, Prinzen, Prinzessinnen, Kammerherren, Hofmarschallinnen, Hofschenken, Oberhofmeisterinnen, Hofsilberbewahrern, Hofjagermeisterinnen, und wie diese vornehmen Domestiken noch ausserdem heissen mogen, und ihre Unterdomestiken liefen hinter ihren Stuhlen und schoben ihnen die gefullten Teller vors Maul - ich aber, der ubergangen und ubersehen wurde, sass mussig, ohne die mindeste Kinnbackenbeschaftigung, und ich knetete Brotkugelchen, und trommelte vor Langerweile mit den Fingern, und zu meinem Entsetzen trommelte ich plotzlich den roten, langst vergessenen Guillotinenmarsch.
,,Und was geschah? Madame, diese Leute lassen sich im Essen nicht storen, und wissen nicht, dass andere Leute, wenn sie nichts zu essen haben, plotzlich anfangen zu trommeln, und zwar gar kuriose Marsche, die man langst vergessen glaubte.
(Nicolaus A. Huber)


CDs:
Rainer Romer (percussion)
CD Ensemble Modern Medien EMCD-012
Rainer Romer (percussion)
CD Coviello COV 61003


LPs:
Edith Salmen
LP Harmonia Mundi DMR 1022-24
Martin Schulz
LP plane 88504


Bibliography:

Schick, Tobias Eduard: Weltbezuge in der Musik Mathias Spahlingers (Beihefte zum Archiv fur Musikwissenschaft, Band 80), Stuttgart; Franz Steiner 2018, here p. 102.